Vom Herzen zum Warenkorb: Familie, Erinnerungen, Emotionen und … Produktdaten?!
Marcus Person

Sätze wie „Daten sind das neue Gold“ oder „die Datenpflege ist selten so wichtig gewesen wie heutzutage“ bestimmen im Moment den allgemeinen Diskurs bei vielen Unternehmen. Produktdaten gewinnen dabei an Relevanz, denn diese werden als Basis für Produktbeschreibungen und Marketing-Kampagnen zu Hilfe gezogen, aber vergessen wir hier nicht einen wichtigen Aspekt? Marcus Person von der hmmh AG hat uns auf eine ganze besondere Reise mitgenommen: Lernen Sie Karlotta, Gerd und Oma Hedi kennen und erfahren Sie, warum der reine Blick auf Produktdaten und deren Pflege nicht ausreicht.
„Ich glaube ich bin hier im Raum derjenige, der am wenigsten Ahnung von Produktdaten hat.“
Marcus Person
Dieser Anfang ließ mich bereits schmunzeln: Unsere Besucher sagen, dass der priint:day das Branchentreffen für den PIM-Markt und alle die sich mit Produktkommunikation befassen, ist. Dann stellen wir als Organisatoren jemanden auf die Bühne, der sagt, dass er wenig Ahnung von einem der Hauptthemen hat. Zugegebenermaßen wussten wir, wie Marcus seinen Vortrag anfängt und das er nicht der klassische Experte aus dem Produktdatenthema ist. Ein Grund mehr für ihn, das Thema aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten.
Sollten (Produkt)daten wirklich im Mittelpunkt stehen?
Er hat sich ein ganz durchschnittliches Produkt geschnappt: 400 Milliarden Euro für die Produktumsetzung, im Jahr 2029 werden es bereits 580 Milliarden Euro sein und der Pro-Kopf-Umsatz liegt weltweit bei 52 Euro und jeder von uns konsumiert durchschnittlich 46 Kilo - richtig, die Antwort lautet Reis.
Reis ist ein Produkt was so gut wie jeder kennt, aber von sich aus ist es relativ unspektakulär. Ohne die richtige Würzung hat der Reis kaum Eigengeschmack, es ernährt viele Menschen, es gibt unterschiedlichste Produktverpackungen, die mal mehr und mal weniger ansprechend sind, aber selbst im Supermarkt wird wohl kaum einer an dem Regal vorbeigehen und sofort denken „Oh, jetzt habe ich richtig Lust auf Reis“.
Reis ist viel mehr als nur eine Produkteigenschaft, aber es ist immer noch kein Produkt, das man mit Begeisterung kauft, wie zum Beispiel Schokolade.
Legen wir den Fokus also auf die Einkäufer und unterschiedlichen Konsumenten
Wir lernen Marcus und seine Familie kennen: Karlotta ist die Tochter von Marcus, 13 Jahre alt, sportlich und vielleicht manchmal ein bisschen chaotisch. Würde man sie nun nach ihrem Lieblingsessen fragen, wäre das vermutlich Pizza. Also welche Beziehung hat sie zum Reis?
Wenn man Karlotta wie Marcus kennt, fällt einem ein Gericht ein: eine typische Poke Bowl. Karlotta ist vielleicht nicht die begeisterte Köchin, aber sich in die Küche zu stellen, die unterschiedlichsten Lebensmittel zu schneiden und appetitlich anzurichten, ist kein Problem für sie.
Also Reis ist etwas, was sie lecker findet und durch die Poke Bowl hat sie eine Beziehung zum Reis. Trotzdem würde sie wohl kaum bei dem Anblick einer Reispackung auf die Idee kommen zu sagen: „Wir müssen heute unbedingt Reis essen.“
Gehen wir in die nächste Generation: Gerd. Er ist um die 80 Jahre alt, Marcus' Vater, lebt in Schweden und hat vermutlich noch nie wirklich Appetit auf Reis gehabt. Seine Leibspeise ist die Kartoffel. Wenn Marcus an seinen Vater und Reis denkt, fällt ihm aber doch ein Bild ein: Gerd zusammen mit seiner Frau Inge sitzen in einer Bodega irgendwo in Spanien und essen eine leckere Paella oder auch ein leckeres Risotto.
Als letztes in der Familie Person lernten wir Oma Hedi kennen. Sie ist aufgewachsen in Schlesien, ist kurz nach dem Krieg ins Weser Bergland gekommen und die Oma von Marcus. Die Erinnerung an Oma Hedi und Reis ist auch eine einfache: In der Küche sitzen Marcus und sein Bruder auf der Eckbank, der Raum riecht angenehm nach Zimt und brauner Butter und auf den Tisch kommt warmer Milchreis.
Was erfahren wir also durch Karlotta, Gerd und Oma Hedi? Reis ist also gar nicht so langweilig und noch viel mehr als eine einfache Produktverpackung im Supermarktregal. Der Reis steht sinnbildlich für die Geschichten und die Erinnerungen, die wir damit verbinden – also der Kontext in denen wir Reis erleben.
Zwischenfazit: Der Nutzen des Produktes bestimmt sich nicht aus den Produktdaten
Reis ist viel mehr als seine Produkteigenschaft, wie z.B. ob er körnig oder vorgekocht ist. Seine Produktverpackung gibt diese Informationen wider, aber es ist nicht die Information, die jemand für die Kaufentscheidung benötigt. Es sind die Geschichten und der Kontext, in den wir das Produkt stellen: Dass wir zusammenkommen und zusammen essen. Gerade diese Assoziationen mit dem Produkt werden von vielen Unternehmen in den Produkttexten und auf den Verpackungen nicht vermittelt. Dort ist es wahrscheinlicher, dass wir einen Produkttext finden, der alle Merkmale der Daten widerspiegelt und der so oft wie möglich für verschiedene Touchpoints in der Customer Journey verwendet werden kann.

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Was heißt das für die Customer Journey?
Es ist alles eine Frage, wo wir uns in der Customer Journey befinden und welche Informationen wir brauchen. Wann kaufen wir ein Produkt aufgrund von Produktdaten und befinden uns auf der Informationsebene und wann interessieren wir uns erst für ein Produkt, weil wir inspiriert wurden und Daten brauchen, die Assoziationen wecken?
Begeben wir uns auf die Reise von Karlotta. Sie kauft Produkte häufig aus der Inspiration heraus. Sie hat einen bekannten Trinkbecher auf Social Media gesehen und vielleicht nochmal bei einem Influencer. Die ersten Freunde haben den Becher schon und Karlotta entwickelt den Wunsch, auch einen zu haben. Sie geht in den stationären Handel und nimmt den Becher wirklich in die Hand und erfährt aber dort: Der Trinkbecher ist viel zu teuer für das Taschengeld.
Trotzdem spricht Karlotta weiter über ihn, tauscht sich mit Freunden aus und bespricht vielleicht auch noch, welche Farbe, Form oder welches Accessoire am coolsten ist. Am Ende ist das Produkt so lange und konsequent in der Inspirationsphase, dass Karlotta es sich als Geschenk wünscht. Der eigentliche Nutzen des Produkts, die genaue Bedienung oder Funktion sind für Karlotta nicht relevant. Sie ist nie an den Punkt gekommen, dass sie auf Seite der klassischen Informationssuche angekommen ist.
Die Customer Journey von Gerd ist eine andere: Er hat eine Anzeige für einen namenhaften Staubsauger gesehen. Hat sich dann bei dem Hersteller informiert, was das Produkt überhaupt preislich kostet. Da ihm das zu teuer war, ist er zu verschiedenen Marktplätzen gegangen und hat sich Ersatzprodukte anbieten lassen und verglichen, ob es nicht günstigere Alternativen gibt mit vielleicht besseren Bewertungen und am Ende hat er sich ein PDF heruntergeladen mit allen Informationen von dem perfekten Produkt und es aber dann womöglich nie gekauft.
Oma Hedi hat die dritte Customer Journey: Ihre Bekannte hat ihr eine Nachricht geschrieben und ein Produkt empfohlen für die Gartenarbeit, weil Oma Hedi gerne im Garten arbeitet, aber das körperlich immer schwieriger wird. Als die Empfehlung ausgesprochen wurde, wurde auch nachgesehen, wo der nächstgelegene Einzelhändler das Produkt vorrätig hat, damit Oma Hedi es sehen und sogar anfassen konnte. Die Kaufentscheidung war noch nicht gefallen, weil sie ein ähnliches Gartengerät von früher hatte und der klassische Satz „Das ist noch gut“ fiel. Einige Wochen später sah Oma Hedi eine andere Anzeige für das gleiche Produkt im Katalog, informierte sich zusätzlich und entschied sich dann doch für den Kauf, weil sie es vermisst, dass sie ihrem Hobby nicht mehr so nachgehen kann. Sie war eigentlich die ganze Zeit auf der Informationsseite und hat immer nur nach Bedarf gekauft.
Wenn wir diese drei Customer Journeys übereinander legen, wird eines deutlich: Wir alle unterscheiden uns darin, wie wir eine Kaufentscheidung treffen. Der eine trifft eine Kaufentscheidung auf der Basis von reinen Informationen, wie Oma Hedi. Der andere trifft eine Entscheidung nur aufgrund von Inspiration, wie wir bei Karlotta gesehen haben. Aber auch Gerd liegt irgendwo dazwischen.
Was hat das jetzt mit Produktmanagement zu tun?
Genau in diesem Zwischenbereich von der reinen Information und Inspiration bewegt sich die Produktbeschreibung. Das bedeutet, dass das Produktmanagement eine Produktbeschreibung für sämtliche Fälle finden muss, um möglichst Karlotta, Gerd und Oma Hedi als Käufer zu gewinnen. Außerdem muss die Beschreibung für die verschiedenen Touchpoints in der Customer Journey aller drei Personen funktionieren. Marcus hat das bildlich in seinem Vortrag gemacht und gezeigt, dass die Personalisierung unumgänglich ist. In der weiteren Recherche hat er aber feststellen müssen, dass verschiedene Studien belegen: Viele Hersteller und Händler haben die Daten, wo und wann sich ihre Kunden in der Customer Journey aufhalten, aber die Personalisierung bleibt ein ungenutztes Werkzeug. Es gibt eine Produktbeschreibung, die dann häufig nur für den eigenen Webshop optimiert wurde.
Aber genau darum geht es bei allen Berührungspunkten. Marcus' Appell ist klar: Beziehungen aufbauen! Wir können an allen Touchpoints Geschichten erzählen, also wie war es damals mit Gerd in der Bodega oder mit Oma Hedi in der Küche? Erst dann können wir eine echte Beziehung aufbauen und da muss das Produktmanagement ansetzen. Und gerade weil ich diese Reise am priint:day miterleben durfte, ist mir der Vortrag von Marcus besonders im Gedächtnis geblieben.
