Webtechnologie macht plötzlich Print: Wie PrintCSS die Branche verändern kann

Simea Merki

Wer CSS hört, denkt direkt an Webseiten. Und das natürlich berechtigterweise. CSS ist DIE Design-Sprache fürs Internet. Jeder Browser, egal ob auf Desktop, Laptop, Mobile oder Tablet, liest CSS um die Grösse, Farbe und auch Layout von Webseiten zu verstehen. Doch CSS kann eigentlich noch viel mehr.

Mit CSS3 wurde das Paged Media Module eingeführt. Es geht also um das Styling von Medien, die Seiten haben, zum Beispiel ein PDF. Dabei ist das Paged Media Module (umgangssprachlich gerne PrintCSS genannt) schon sehr ausgereift. Denn PrintCSS kann schon heute im Prinzip alles, was Print braucht: Sonderfarben, Beschnitt, Passermarken und so weiter. PrintCSS funktioniert sehr einfach: HTML oder XML + CSS + (eventuell JavaScript) = PDF. Das PDF wird generiert durch PrintCSS-Renderer. Die Landschaft der Anbieter ist sehr breit:

PrintCSS: HTML/XML + CSS + evtl. JavaScript= PDF

  • Es gibt Open Source Renderer (z.B: PagedJS, Weasyprint, Vivliostyle)
  • Mittelpreisige Angebote (z.B. Typeset.sh)
  • Enterprise-Lösungen (z.B: Antenna House, PDFReactor, Prince)

Hier gibt es natürlich auch funktionale Unterschiede. Manche Renderer bieten auch auf Deutsch automatische Trennungen, manche können Fussnoten abbilden, andere nicht.
Die verschiedenen Renderer haben sich teilweise auf einzelne Funktionen und Anwendungsfelder spezialisiert. Daher ist es zu empfehlen, dass man verschiedene Renderer für unterschiedliche Projekte in Betracht zieht und gegebenenfalls die Wahl nach 1-2 Jahren wieder hinterfragt, die PrintCSS-Renderer bringen häufig Updates.

Tipp: Eine tolle Übersicht über die Funktionen und Vergleiche zwischen verschiedenen Renderern ist hier zu finden: print-css.rocks/lessons

Warum PrintCSS?

PrintCSS verlangt neue Skills in der Publishing-Branche. Was bisher in InDesign und Co. lief, wird jetzt als Code geschrieben. Abläufe, die bisher immer gleich waren, werden auf den Kopf gestellt. Um eine solche Umsetzung zu rechtfertigen, braucht es natürlich stichhaltige Argumente. Hier also ein paar Vorteile von PrintCSS.

Ein Vorteil von PrintCSS gegenüber klassischen Layout-Programmen liegt darin, dass eine einzige Sprache verwendet wird, um mehrere Kanäle zu bedienen. PrintCSS ist nur leicht anders als CSS fürs Web. Das bedeutet, dass jemand, der bereits ein Template für die Web-Ausgabe hat, dieses nur noch anpassen muss, um eine Printversion zu erstellen. Dies ermöglicht eine effiziente und zeitsparende Erstellung von Inhalten für verschiedene Medien.

Das führt direkt zum nächsten Vorteil. Da PrintCSS auf den bereits bekannten Regeln und Konventionen von CSS aufbaut, können Entwickler und Designer leicht zwischen den verschiedenen Kanälen wechseln und ein einheitliches Erscheinungsbild gewährleisten. Anstatt ein separates Layout-Programm zu erlernen und komplexe Anpassungen vorzunehmen, können sie ihre vorhandenen CSS-Kenntnisse nutzen und diese auf Printmaterialien anwenden. Das heisst; Es ist einfach, PrintCSS-Entwickler zu finden, oder CSS-Entwickler zu PrintCSS-Entwicklern umschulen.

Auch ein grosser Vorteil von PrintCSS ist die konsequente Trennung von Stil und Inhalt. Über PrintCSS kann man keine zusätzlichen Inhalte einspeisen, das heisst die Datenstruktur in XML oder HTML muss so komplett und sauber sein, dass sie funktioniert. Das ist natürlich manchmal eine Herausforderung. Gleichzeitig wird man gezwungen zu dieser Trennung, was für Content First-Projekte manchmal gar nicht so schlecht ist.

Ein weiterer Punkt ist natürlich das kompetitive Pricing. Gerade für KMUs sind Rendering-Services wie zum Beispiel InDesign Server keine Option, allein aufgrund der Lizenz- und Infrastrukturkosten. Bei PrintCSS gibt es für jedes Budget Renderer, die nicht so hohe Anforderungen an Server haben. Das heisst; unter Umständen ist PrintCSS auf Dauer deutlich preiswerter.

Ist PrintCSS schon heute in der Praxis nutzbar?

Das ist natürlich die Gretchenfrage. Mir ist wichtig zu betonen, dass PrintCSS nicht immer das richtige ist. Wenn zum Beispiel manuelle Eingriffe bei einzelnen Ausgaben notwendig sind, ist das kaum bis gar nicht möglich, da bei PrintCSS immer direkt ein PDF das Ergebnis ist. Bei klassischen InDesign-Workflows lässt sich meist noch in der offenen InDesign-Datei eingreifen.

Wer aber eine fixe Vorlage hat und die Inhalte immer im gleichen Layout mit einem klaren Regelwerk setzen will, ist mit PrintCSS wunderbar bedient. Die Ideen und Möglichkeiten sind natürlich vielseitig;

Digitale und analoge Menükarten

  • Datenblätter, zum Beispiel für industrielle Produkte, können direkt aus dem PIM zum PDF werden
  • Jahresberichte und Statistiken mit PrintCSS kann man über JavaScript auch Diagramme aus nackten Zahlen generieren. Sehr spannend!
  • Das setzen von wissenschaftlichen Arbeiten folgt meist einem sehr starren Regelwerk. Ideal für PrintCSS!
  • Bereits heute werden E-Books und auch gedruckte Bücher im Bereich der Belletristik gerne mit PrintCSS generiert. Das lohnt sich vor allem für Kleinstauflagen oder im Self-Publishing.

Es wird also klar; Die Möglichkeiten von PrintCSS sind leicht zu unterschätzen. Die Gefahr ist, dass die Print-Branche diesen Trend verpasst, weil sie CSS nicht auf dem Schirm haben. Ich glaube jedoch, dass CSS das Potenzial hat, von der reinen Web-Technologie zur Print-Technologie zu werden. Das kann die Print-Welt disruptiv verändern. Wer diesen Trend nicht beobachtet, wird vielleicht eines Tages davon überrascht.

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