Wir lagen mit unseren Prognosen falsch.

Als ich zum Beginn der 2000er angefangen habe, bei einem Softwarehersteller zu arbeiten, war der E-Commerce sowohl im Business-to-Customer (B2C) als auch im Business-to-Business (B2B) Handel das Thema schlecht hin. Wir sind damals davon ausgegangen, dass mit der Einführung von Produktinformationsmanagement (PIM) Systemen, elektronischen Bestellübermittlungen (EDI) und Onlineshops der Bedarf für gedruckte Kataloge immer weiter zurückgehen und am Ende ganz verschwinden würde. Schließlich war es immer aufwendig und kostenintensiv die Kataloge pünktlich zum Drucktermin, manchmal auch in verschiedenen Versionen oder Sprachen fertigzustellen. Wie bei den meisten Voraussagen von Zukunftsforschern hat sich die Zukunft komplexer entwickelt als wir es erwartet hätten.

Auch 20 Jahre später führen Firmen PIM Systeme ein und optimieren damit ihre Prozesse mit einem Fokus auf ihre digitalen Kanäle für den „E-Commerce“ in allen seinen Spielarten. Allerdings ist ‘Print’ immer ein Teil der Geschichte, vom Datenblatt bis zum Katalog ist der Bedarf für die Erstellung und damit für die Automatisierung mit an Bord. Nicht selten sogar handelt es sich sogar um einen relevanten Treiber für die Projekte. Häufig steht dabei zuerst das traditionelle Database Publishing (DBP) im Mittelpunkt, das sich dadurch auszeichnet, dass die Arbeit für den Grafiker durch den direkten Zugriff auf Daten und Assets einfacher wird und die Fehlerquote dramatisch sinkt. Allerdings zeigt sich schnell, dass durch die konsequente Verbindung der verschiedenen Daten im Unternehmen viel mehr Spielarten für die Produktion von hochwertigen Unterlagen für Vertrieb und Marketing möglich sind. Auch in diesem Bereich steigen die Anforderungen der Kunden, und damit die Vielfältigkeit der Aufgaben im Print/Publishing immer weiter. Man könnte also auch die These aufstellen, dass die Anforderungen an „Print“ mit den Anforderungen der digitalen Welt wachsen, schließlich sind wir es heute gewohnt Informationen immer maßgeschneidert, möglichst angepasst auf unseren jeweiligen Kontext zu erhalten, schließlich werden Kataloge, ebenso wie Onlineshops selten in nur einer Sprache oder mit nur einem Sortiment benötigt.

Wieso lagen wir alle so falsch?

Lagen wir falsch damit, dass wir den Katalog zu Beginn der 2000er totgesagt haben?

Nein, denn immer mehr Hersteller, Großhändler und Einzelhändler geben es auf, ihr Gesamtsortiment in einem Katalog oder einer Reihe von Bänden zu veröffentlichen. Der Trend geht klar zu zielgerichteten, auf die Situation angepassten Katalogen. Diese werden dann je nach Zielgruppe mit weiteren Inhalten angereichert.

Ist damit der Bedarf für Kataloge gänzlich verschwunden?

Nein, denn der Bedarf hat sich gewandelt, und darauf müssen wir reagieren. Kataloge durchlaufen gerade eine Evolution. Von einem allumfassenden Omnibus des aktuellen Sortimentes hin zum zielgerichteten Informationsmedium für einen klar definierten Kontext. Manchmal einfach nur im Angebot zugeschnitten auf den aktuellen Empfänger, manchmal aber auch erweitert um redaktionelle Inhalte, die dem Empfänger dabei helfen sollen, die Produkte besser zu verstehen und ihre Attraktivität zu erhöhen und dem Katalog somit für seinen Empfänger einen höheren Wert zu geben.

Der Katalog feiert also grade ihre triumphale Rückkehr ins Marketing?

Nein, auch wenn die Auflage der Kataloge, die per Post verschickt werden, z.B. in den USA seit 2015 jedes Jahr steigen, sind die Zeiten, indem die Katalogproduktion, das Publishing die zentrale Bühne im Marketing einnimmt und alle Prozesse bestimmt vorbei. Gartner formulierte in ihrer CMO Leadership Vision 2022, dass es die Aufgabe des CMO ist, einen integrativen, Kanalunabhängigen und hybriden Ansatz zu finden, um alle relevanten Kundengruppen / Märkte mit der richtigen Ansprache zur Richtigen Zeit, also in Ihrem Kontext zu erreichen.

Print/Publishing ist im (digitalen) Marketing angekommen

Lange gab es viele Begriffe oder Wortbildungen, um im Marketing den Unterschied zwischen den beiden Strömungen zu beschreiben: Digitales-Marketing, Online-Marketing, Offline-Marketing, Traditionelles-Marketing und sicherlich noch viele mehr. Es ist Zeit das wir diese Unterscheidung begraben und das Marketing, wie von Gartner beschrieben, ganzheitlich betrachten.

Ob eine Marketing-Automation entscheidet, dass 5.000 Postkarten mit personalisierter Werbung an B2C-Kunden verschickt werden, auf Basis des Verbrauchs der letzten 12 Monate ein Katalog mit spezifischen Preisen an einen B2B-Kunden als Vorbereitung auf das Jahresgespräch oder eine mehrstufige E-Mail-Kampagne mit den neusten Saisonwaren an alle Kunden, natürlich segmentiert nach B2B und B2C versandt wird: Der Anstoß für die Produktion folgt in allen Fällen den gleichen Regeln. Wenn wir das verinnerlicht haben, wird auch schnell klar, dass Print nicht stirbt sondern sich in seinen Fähigkeiten explosionsartig entwickelt. Dadurch werden natürlich auch höhere Anforderungen an eine moderne Print/Publishing-Automation klar, sie muss nicht nur alle liebgewonnen Prozesse aus dem (digitalen) Marketing unterstützen und die Verwendung mit Print ermöglichen, sie muss auch weiterhin die klassischen Anforderungen wie die InDesign Automatisierung unterstützten.

Wie bei vielen Prognosen, können wir also sagen das sie nicht ganz falsch gelegen haben, schließlich sterben die Hauptkataloge langsam aus. Schließlich wird es für sie auch immer schwerer, ihren ursprünglichen Auftrag die Informationshoheit über die relevanten Produkte im Sortiment abzubilden. Allerdings basierte die Prognose, das damit auch ‚Print‘ stirbt auf einer falschen Annahme. Wird es in Zukunft weiter Print geben? Das hängt sicherlich auch davon ab wie wir Print verstehen. Ich gehe davon aus, dass es weiter Print in der Produktkommunikation geben wird, dafür hat es zu viele Vorteile.

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